Priesterschicksale
im Dritten Reich

Josef Krebeck -
„Geliebte im Herrn, täuschen wir uns nicht!"



von Michael Rademacher


1. Kindheit und Jugend
Josef Krebeck wurde am 18. Dezember 1875 in Mühlen geboren. Sein Vater war Landwirt. Er besuchte das Gymnasium zu Osnabrück und studierte anschließend in Münster, wo er am 6. Juni 1903 in Münster von Bischof Hermann Dingelstadt zum Priester geweiht wurde.


2. Tätigkeit als Geistlicher 1903-1935
Von 1903 bis 1914 war Josef Krebeck Kooperator in Scharrel, danach von 1914 bis 1916 Kooperator in Lohne. 1916 wurde er von den Mühlenern als Pfarrer von Steinfeld vorgeschlagen. „Wegen Uneinigkeit in der Kirchengemeinde"(1) ging Josef Krebeck in den vorzeitigen Ruhestand und wurde 1923 Vikar in Löningen.

Schon vor der Machtergreifung handelte sich Josef Krebeck Beschwerden wegen Predigtäußerungen ein. So beschwerte sich am 10. 8. 1931 der Stahlhelm beim Bischof von Münster darüber, daß Josef Krebeck am 2. 8. in seiner sonntäglichen Predigt gesagt hatte: „Wenn Brüning fällt können wir uns bedanken bei den Männern vom Stahlhelm und den Nazis, diesen großen Kindern, diesen Vaterlandsverrätern."(2) Weiter wurde darauf hingewiesen, daß „der betreffende Herr schon des öfteren während des Gottesdienstes ähnliche herabsetzende Bemerkungen gegen den Stahlhelm gemacht"(3) hat.
Am 3. Juni 1935 beschwerte sich ein Gastwirt beim Offizial Vorwerk darüber, daß Josef Krebeck in seiner Sonntagspredigt vom 28. 5. gesagt hatte: „Ich habe gestern abend in der Zeitung gelesen, dass ein hiesiger Wirt zu Christi Himmelfahrt ein Gartenkonzert mit Tanzeinlage angesetzt hat. So ein habgieriger Wirt!"(4) Er selber sei sich nicht bewußt, damit „gegen die guten Sitten oder gegen eine Bestimmung unserer kath. Kirche"(5) zu verstoßen und jeder in der Gemeinde würde ihm „das Zeugnis ausstellen, dass von Habgierigkeit bei mir keine Rede sein kann."(6)

1935 ging Josef Krebeck auch als Vikar von Löningen in den Ruhestand, blieb aber in der Vikariewohnung an der Mühlenstraße wohnen, so daß sein Nachfolger, Vikar Witten, beim Pfarrer Arlinghaus wohnen mußte.(7)



3. Konflikte mit dem NS-Regime 1936-1938

Josef Krebeck machte aus seiner Abneigung gegen die Nationalsozialisten keinen Hehl: "Er verstand es immer wieder, in seine Predigten deutliche Aussagen zur Politik der Nationalsozialisten einzuflechten und diese dann eindrucksvoll dadurch zu unterstreichen, daß er mit der Faust auf die Kanzelbrüstung schlug und sagte: 'Geliebte im Herrn, täuschen wir uns nicht!'"(8)
Während des 'Kreuzkampfes' im November 1936 unterstützte Josef Krebeck die Bauern, die Delegationen nach Oldenburg schickten, um die Rücknahme des Kreuzerlasses vom 4. 11., nach dem Kreuze und Lutherbilder aus den Schulen zu entfernen waren, zu erreichen: „Ein guter Kontakt bestand natürlich zu den Ortsgeistlichen, zu Vikar Krebeck und Pfarrer Zumbrägel, die den Bauern mit ihrem Rat zur Seite standen."(9)

Am Abend des Sonntags, 22. 11., auf dem Höhepunkt des Kreuzkampfes, „begann dann die Novene, die neuntägige Sühneandacht, die vom Vikar Krebeck 'stimmungsvoll' gestaltet wurde. Die Löninger Kirche war 'übervoll'"(10). Am 25. November wurde die Rücknahme des Kreuzerlasses von Gauleiter Röver in der Münsterlandhalle in Cloppenburg öffentlich verkündet.
Im Rahmen des Kampfes der Nationalsozialisten gegen die konfessionellen Schulen wurde Ostern 1938 in Löningen die private evangelische Volksschule aufgelöst, ihre Schüler wurden der katholischen Volksschule eingegliedert. Zur Weiterführung des evangelischen Religionsunterrichts wurde der katholischen Volksschule vom Fachreferenten für das katholische Volksschulwesen im Ministerium der Kirchen und Schulen in Oldenburg, Dr. Anton Kohnen, eine evangelische Lehrerin zugeteilt.(11) Diese hatte jedoch „bereits vor längerer Zeit die schriftliche Erklärung abgegeben, dass sie den evangelischen Religionsunterricht gemäss den bestehenden Richtlinien nicht länger zu erteilen wünsche."(12) Auch war sie aus der Kirche ausgetreten. Dies war in Löningen bekannt geworden und hatte „natürlich auf beiden Seiten der Elternschaft nicht zur Beruhigung beigetragen."(13)

Die Löninger Geistlichen Krebeck und Zumbrägel protestierten am 24. 4. von der Kanzel gegen die Auflösung der konfessionellen Schulen und hielten „am Nachmittag in Löningen einen besonderen Gottesdienst"(14) ab. Am 1. Mai wurde auch in Löningen die Stellungnahme des Offizials Vorwerk zur Schulfrage von der Kanzel verlesen. Amtshauptmann Münzebrock schätzte die Lage als ernst ein. Noch am Tag der Verlesung schrieb er an den Minister der Kirchen und Schulen in Oldenburg:


„Es handelt sich offenbar um eine „verbesserte" Neuauflage der Kruzifixangelegenheit. Zu meiner Entlastung verweise ich auf meine Ausführungen in der Landtagssitzung vom 6. November v. Js. und in meinem Bericht vom 20. November v. Js., in denen ich in Übereinstimmung mit allen hier beteiligten Persönlichkeiten, u. a. dem Kreisleiter [Willi Meyer-Wendeborn, Anm. d. V.], dringend vor der Zuteilung einer evangelischen Lehrkraft an die katholische Volksschule in Löningen gewarnt habe."(15)


Verschärft wurde die Situation noch durch den 'Schulstreik' in Goldenstedt vom 3. bis 6. Mai 1938, den Staatsminister Pauly durch einen Erlaß vom 5. Mai, in dem er den Eltern mit Schutzhaft drohte, beendete. Am 26. April hatte das Ministerium der Kirchen und Schulen in Oldenburg angeordnet, die katholischen Kinder der Ortschaft Varenesch der dortigen evangelischen Volksschule und die evangelischen Kinder in Goldenstedt der dortigen katholischen Volksschule in Goldenstedt zuzuweisen.(16) Am 2. Mai kam es in Goldenstedt zu einem „ernstlichen Zusammenstoß"(17) zwischen der Polizei und Eltern, die sich bei Unterrichtsbeginn vor dem Schulhaus versammelt hatten, um dort auf den zuständigen Schulrat aus Vechta zu warten. Dieser kam jedoch nicht, und die Versammlung wurde von der Gendarmerie und von aus Wilhelmshaven herbeigerufenen Schutzpolizisten aufgelöst. Der Gestapo-Bericht behauptete, es sei hierbei „zu wesentlichen Zusammenstößen (...) nicht gekommen."(18)
Die Maßnahmen der Nationalsozialisten und die Vorfälle in Goldenstedt waren am 8. Mai Thema der Predigten der Löninger Geistlichen. Pfarrer Zumbrägel und Vikar Krebeck verlasen in ihren Gottesdiensten einen Hirtenbrief und eine Kanzelerklärung, in der die Ereignisse in Goldenstedt kommentiert wurden. Bei dem Hirtenbrief handelte es sich um einen Hirtenbrief des Bischofs von Münster, der sich mit der konfessionellen Schule befaßte. Kreisschulrat Höffmann, der einen solchen Hirtenbrief vorausgeahnt hatte, bat Amtshauptmann Münzebrock, „die Verhinderung dieser Verlesung durch die Geheime Staatspolizei zu veranlassen"(19). Münzebrock informierte den Minister der Kirchen und Schulen, der sich daraufhin mit der Bitte an die Staatspolizeistelle Wilhelmshaven wandte, „möglichst die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Verlesung eines solchen Rundschreibens zu verhindern"(20).

Der Gestapo blieb jedoch nicht genügend Zeit, um entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. So wurde der Hirtenbrief des Bischofs von Münster, zusammen mit einem weiteren Schreiben, verlesen. Der Löninger Gendarmeriemeister Tanklage berichtete noch am gleichen Tag:


„Das zweite verlesene Schreiben, dessen Verfasser bezw. Herausgeber nicht angegeben wurde, befaßte sich mit den Vorgängen in Goldenstedt. In diesem Schreiben wurde behauptet, der Schulrat sei auf Anruf nicht herübergekommen, obwohl er dies versprochen hatte. Weiter wurde in diesem Schreiben behauptet, die Polizei habe mit dem blanken Säbel auf die wehrlose Bevölkerung eingeschlagen, obwohl dieselbe nur ihr gutes Recht gefordert habe. Etwa wörtlich hieß es dann: 'Mehrere von den Polizisten blutig geschlagene Personen werden ihre blutigen Wunden in Ehren tragen.'"(21)



Der Visbeker Vikar Morthorst verlas am 8. Mai ebenfalls eine Kanzelerklärung im Namen der „Seelsorgsgeistlichen des Oldenburger Münsterlandes", in der erklärt wurde, „daß das Verhalten der Goldenstedter unsere Anerkennung verdient"(22). Ferner stand in der Kanzelerklärung:


„Man [die Eltern] wandte sich [. . .] an den Schulrat. Der vertröstete die Eltern, sie sollten in Geduld und Ruhe warten, er komme selber herüber. Er kam aber nicht. Sondern plötzlich und unerwartet setzte die staatliche Behörde gegen diese Ansammlung der Eltern ein starkes Polizeiaufgebot in Bewegung. Mit dem blank gezogenen Degen hieben die Polizisten auf wehrlose deutsche Volksgenossen, unsere kath. und evang. christl. Glaubensbrüder und Glaubensschwestern, ein und vertrieben sie von den Plätzen und Straßen. So wurde heiliges, unantastbares Recht brutal vergewaltigt. [. . .] Die Schläge und blutigen Narben, die manche von ihnen erhielten, werden ihnen für immer zur Ehre gereichen."(23)


Vergleicht man nun die Aussagen in der von Vikar Morthorst verlesenen Kanzelverkündigung mit denen in der von Pfarrer Zumbrägel und Vikar Krebeck verlesenen, so kommt man zu dem Schluß, daß es sich in beiden Fällen um denselben Text gehandelt hat. Es muß also in jedem Fall eine Absprache zwischen diesen Geistlichen stattgefunden haben. Die Frage bleibt daher offen, ob Vikar Morthorst tatsächlich der Verfasser, bzw. der alleinige Verfasser, der Kanzelverkündigung war, wie es die Gestapo annahm.(24)

Aufgrund dieser Kanzelverkündigung wurden Vikar Krebeck, Pfarrer Zumbrägel und Vikar Morthorst von der Gestapo am 28. 6. 1938 aus dem Land Oldenburg und dem Regierungsbezirk Aurich ausgewiesen.(25) Am 5. 7. 1938 berichtete die Staatspolizeistelle Wilhelmshaven an das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin:


„Die von dort [Gestapo Berlin] ebenfalls angeordneten Anweisungen [sic!] der Geistlichen Ording, Hanneken, Zumbrägel, Krebek [sic!] und Morthorst waren schon deshalb unbedingt notwendig, weil diese Geistlichen die willfährigsten Werkzeuge des Bischöflichen Offizials waren. Sie benutzten nämlich sämtliche Anweisungen des Offizials, um in der krassesten Form alle Maßnahmen der Staatspolizei und des Ministeriums in Oldenburg auf der Kanzel vorzutragen und in der gehässigsten Form zu kritisieren."(26)


Weiter stellte man fest, „daß eine Rückkehr dieser Geistlichen schon deshalb unmöglich ist, weil dadurch die bis dahin durchgeführten Maßnahmen auf kirchlichem Gebiete in den Amtshauptmannschaften Cloppenburg und Vechta ihre Wirkung völlig verlieren würden."(27)
Der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen setzte sich für die ausgewiesenen Geistlichen bei Hitler ein. (28) Josef Krebeck konnte Weihnachten 1938 in seine Pfarrei zurückkehren. Ein Verfahren des Landgerichts Oldenburg gegen ihn wurde im Sommer 1939 eingestellt.

Josef Krebeck verstarb am 23. 5. 1943 und wurde auf dem Löninger Friedhof beigesetzt.


(1) Benken, Alfred: Priester der Gemeinde Löningen. Löningen, 1979., S. 93.
(2) „Der Stahlhelm"-Bund der Frontsoldaten, Landesverband Oldenburg-Ostfriesland an den Bischof von Münster, 10. 8. 1931. Offizialatsarchiv Vechta (im folgenden OAV), Aktenbestand A-2-13 II (Beschwerden gegen Geistliche).
(3) Ebda.
(4) Gastwirt Heinz Sandker aus Böen bei Löningen an Offizial Vorwerk, 3. 6. 1935. OAV, Aktenbestand A-2-13 II
(5) Ebda.
(6) Ebda.
(7) Nach Benken, S. 93.
(8) Hachmöller, Heinrich: Der Kreuzkampf in Löningen. Auswirkungen der nationalsozialistischen Schulpolitik. In: Kuropka, Joachim (Hg.): Zur Sache - Das Kreuz! Vechta, 1986. (S.137-152), S. 138.
(9) Hachmöller, S. 140.
(10) Hachmöller, S. 144.
(11) Dr. Anton Kohnen an die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Wilhelmshaven, 2. 5. 1938. OAV, Aktenbest. A-9-51.
(12) Amtshauptmann Münzebrock an den Minister der Kirchen und Schulen in Oldenburg, 27. 4. 1938. StAO Best. 134 Nr. 6044.
(13) Ebda.
(14) Ebda.
(15) Amtshauptmann Münzebrock an den Minister der Kirchen und Schulen in Oldenburg, 1. 5. 1938. StAO Best. 134 Nr. 6044.
(16) Dies und das folgende nach Franz Teping: Der Kampf um die konfessionelle Schule in Oldenburg während der Herrschaft der NS-Regierung. Münster, 1949. S. 30 f.
(17) Teping, S. 30.
(18) Zit. nach Teping, S. 31.
(19) Amtshauptmann Münzebrock an den Minister der Kirchen und Schulen, 4. 5. 1938. StAO Best. 134 Nr. 6044.
(20) Der Minister der Kirchen und Schulen in Oldenburg an die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Wilhelmshaven, 5. 5. 1938. StAO Best. 134 Nr. 6044.
(21) Bericht des Löninger Gendarmeriemeisters Tanklage, 8. 5. 1938. OAV, Aktenbest. A-9-51 (Strafverfolgungen wegen politischer Vergehen oder Vorgänge).
(22) Zit. nach Heimatblätter. Beilage zur 'Oldenburgischen Volkszeitung', Nr. 2/67. Jahrgang, 14. 5. 1988, S. 7.
(23) Zit. nach ebda.
(24) Vgl. Heimatblätter, S. 7.
(25) Der Führer des SS-Oberabschnittes Nord-West übersandte dem Sicherheitshauptamt der SS, Zentralabteilung II/1, am 29. 10. 1938 eine Zusammenstellung über „katholische Geistliche, die mit dem Strafgesetz in Konflikt kommen", in der auch Joseph Krebecks und Anton Zumbrägels Landesverweis erfasst ist. Bundesarchiv Potsdam, Aussenstelle Dahlwitz-Hoppegarten, Z-BI-1652.
(26) Die Staatspolizeistelle Wilhelmshaven an das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin, 5. 7. 1938. OAV, Aktenbest. A-9-51.
(27) Ebda.
(28) Dies geht aus einem Schnellbrief des Reichsministers für die kirchlichen Angelegenheiten an das oldenburgische Staatsministerium vom 15. Juli 1938 hervor. OAV, Aktenbest. A-9-51.


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