Priesterschicksale
im Dritten Reich
|
Anton Zumbrägel
von Michael Rademacher
|
|
1. Kindheit, Jugend und erste Tätigkeiten als Priester
Anton Zumbrägel wurde am 15. 7. 1870 in Brägel bei Lohne geboren (1). Sein Vater war von Beruf Landwirt. Er besuchte das Gymnasium in Vechta und studierte anschließend in Münster, wo er am 26. 3. 1898 vom 69. Bischof von Münster, Hermann Dingelstad, zum Priester geweiht wurde.
Am 22. 4. 1898 wurde Anton Zumbrägel Vikar in Essen in Oldenburg. Hier hielt er den Sonntagsgottesdienst auf Gut Calhorn und war Lehrer an der Essener Bürgerschule. Nach der Fertigstellung der Beverner Kirche 1904 versah er hier Dienst als Kaplan. Er zog 1908 nach Bevern und blieb dort bis 1922 Kaplan.
2. Pfarrer von Löningen 1922-1941
Am 12. 9. 1922 wurde Anton Zumbrägel durch den 71. Bischof von Münster, Bischof Johannes Poggenburg, zum Pfarrer von Löningen berufen. Hier blieb er bis 1941.
Während seiner Zeit als Pfarrer von Löningen wurden Gebiete der Kirchengemeinde Löningen verselbständigt. 1923 wurde das Pfarrektorat Bunnen zu einer eigenständigen Pfarre. Im gleichen Jahr wurde auch die Kapellengemeinde Benstrup errichtet. Die Benstruper Kapelle wurde am 23. 2. 1923 von Pfarrer Zumbrägel eingeweiht. 1930 wurde die Kapellengemeinde Wachtum von der Pfarre Löningen und vom Bistum Münster getrennt und dem Bistum Osnabrück eingegliedert. Im Jahr 1937 wurde Evenkamp Kapellengemeinde. Die Abtrennung dieser Gebiete bedeutete für die Kirchengemeinde Löningen: Der Kirchturmbau schien in weite Ferne gerückt zu sein."(2) Innerhalb der Gemeinde erreichte Pfarrer Zumbrägel den Bau des Pfarrheimes und die, von vielen Seiten kritisierte"(3), Ausmalung der Kirche in den dreißiger Jahren.
Schwierigkeiten bekam Anton Zumbrägel häufig wegen seiner chronisch schlechten Zahlungsmoral. Besonders krass ist der Fall des Malermeisters Nachtigäller, der auch auf mehrfache Mahnungen eine Rechnung vom September 1936 nicht bezahlt bekam und auf seine Anfragen nicht einmal eine Antwort erhielt. Er wandte sich daraufhin an die Handwerkskammer zu Münster, die sich am 29. 1. 1938 in seinem Fall an Anton Zumbrägel wandte, um die Bezahlung der Rechnung zu bewirken. Da bei den Arbeiten Mängel aufgetreten waren, für die jedoch nicht Nachtigäller, sondern ein anderer Handwerksbetrieb verantwortlich war, bat die Handwerkskammer Münster um Mitteilung, um welche Mängel es sich handelt, damit wir beurteilen können, ob ein Recht besteht, dem Malermeister Nachtigäller das Geld vorzuenthalten."(4)
Da Anton Zumbrägel auf dieses Schreiben überhaupt nicht reagierte, wandte sich die Handwerkskammer Münster am 7. März 1938 an das Bischöflich-Münsterische Offizialat in Vechta. Offizial Vorwerk schrieb daraufhin am 11. März an Anton Zumbrägel, forderte Bericht in dieser Angelegenheit bis zum 15. März und fügte hinzu: Auch dieses Schreiben zeigt, was nun schon oft festgestellt ist, dass die Pfarrverwaltung keineswegs in Ordnung ist."(5) Anton Zumbrägel reagierte weder auf dieses Schreiben des Offizials noch auf weitere Mahnungen vom 22. und vom 30. März.
Mittlerweile hatte sich die Handwerkskammer Münster auch an den Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen gewandt. Dieser schrieb am 16. April an den Offizial und bat ihn, die Angelegenheit sofort nach Ostern mit Nachdruck zu verfolgen. Es ist durchaus verständlich, dass das Verhalten des Pfarrers Zumbrägel, aber auch die Nichtbeantwortung der Schreiben der Handwerkskammer bei dieser einen denkbar schlechten Eindruck hinterlassen hat."(6) Auf ein daraufhin ergangenes weiteres Schreiben des Offizials vom 19. April reagierte Anton Zumbrägel mit einem Brief, in dem er erklärte, er sei seit Ende März krank gewesen und er werde sich sobald wie möglich darum kümmern.(7) Am 26. April mußte er im Offizialat persönlich in der Angelegenheit Bericht erstatten. Hier erklärte er, er habe nur mit der Firma Hermann einen Vertrag geschlossen, die wiederum Nachtigäller beauftragt habe. Er werde daher nicht eher zahlen, bis nicht alle Mängel beseitigt seien.
Anton Zumbrägel unternahm jedoch auch weiterhin nichts, um die Angelegenheit zu klären, so daß sich die Handwerkskammer Münster am 27. 5. 1938 an das Generalvikariat des Bischofs von Münster wandte. Bischof von Galen schrieb daraufhin direkt an Anton Zumbrägel und beschwerte sich darüber,
daß Sie trotz der Aufforderung des Herrn Offizials und entgegen dem mir mündlich gemachten Versprechen noch immer nicht auf die seitens der Handwerkskammer an Sie gerichteten Schreiben geantwortet haben. Ich mache Sie erneut ernstlich darauf aufmerksam, dass Sie durch ein solches Versäumen der einfachsten Anstandspflichten gegenüber einer in dieser Angelegenheit zuständigen behördlichen Stelle das Ansehen des geistlichen Standes schädigen, und bei uns Fernstehenden der Meinung Vorschub leisten, dass bei Kirchengemeinden die ordnungsmässige Erledigung der Geschäfte nicht gewährleistet sei, und dass selbst der Bischof und der Offizial bei Ihnen eine solche nicht durchsetzen können."(8)
Auch nach der Bereinigung des Falles Nachtigäller besserte sich Anton Zumbrägels Zahlungsmoral keineswegs. So wandte sich z. B. am 1. 8. 1939 eine Wachswarenfabrik aus Trier wegen einer unbezahlten Rechnung für im Juni 1937 gelieferte Kerzen an das Bischöfliche Generalvikariat in Münster. Sie seien nun nicht länger in der Lage, die 2 Jahre alte Forderung weiterhin ausstehen zu lassen und müßten daher den Gerichtsvollzieher in Anspruch nehmen. Wir bitten Sie, bevor wir diese letzte Maßnahme ergreifen, vielleicht von dort aus auf den hochw. Herrn Pfarrer einzuwirken, dass diese alte Schuld umgehend bezahlt wird."(9) Ein ähnlicher Fall trug sich auch 1941 zu, wo wiederum ein Kerzenfabrikant am 8. 4. das Bischöfliche Ordinariat in Münster bat, dahingehend auf Anton Zumbrägel einzuwirken, daß dieser endlich eine Rechnung über eine Kerzenlieferung vom 18. 3. 1939 bezahlt.(10)
3. Konflikte mit dem NS-Regime
Eine erste Beschwerde an den Reichsstatthalter und Gauleiter Röver über Pfarrer Zumbrägel datiert vom 17. 7. 1934. Ein ehemaliges Gemeindemitglied benötigte für ein Ehestandsdarlehen einen arischen Nachweis. Die erforderlichen Unterlagen wurden ihr vom Pfarramt Löningen gegen einen Nachnahmebetrag von 15 RM zugesandt, die die Empfängerin jedoch nicht bezahlen konnte. Sie wandte sich daraufhin persönlich an Pfarrer Zumbrägel:
Der Herr Pfarrer war bei meinem Besuch gerade in seinem Garten beschäftigt in Amtskleidung Stare zu schießen und sagte mir unter anderem, wenn ich diesen Betrag nicht aufbringen könne, solle ich das Heiraten lassen. Diese Äußerung wurde im Beisein von Zeugen gemacht."(11)
Es gelang ihr, Pfarrer Zumbrägel auf einen Betrag von 5 RM herunterzuhandeln. Allerdings bekam sie die Papiere weder mit, obwohl dieselben bei dem Herrn Pfarrer fertig auf dem Tisch liegen"(12), noch wurden sie ihr trotz mehrfacher schriftlicher Bitten zugeschickt. Auch eine Beschwerde beim Bischof von Osnabrück blieb erfolglos.(13) Das Büro des Reichsstatthalters in Oldenburg leitete die Beschwerde an das Bischöflich-Münstersche Offizialat in Vechta weiter, das sich am 11. Juli mit der Aufforderung zur umgehenden Äußerung"(14) an Pfarrer Zumbrägel wandte. Dieser schrieb am 18. 7. zurück, Fräulein Rothe habe ihm nicht genügend Daten geliefert, so daß die Suche daher sehr kostspielig und aufwendig gewesen sei: Über 8 Tage haben dann mehrere Personen suchen müssen, um die Arbeit fertig zu stellen. Ich habe 4-5 Wochen täglich beschäftigen müssen 4-6 Persone [sic] (Studenten, die sich etwas verdienen wollten).(15) Nachdem sich Frl. Rothe schriftlich bereit erklärt habe, 5 RM Nachnahme zu bezahlen - vorher habe sie nur 3 RM zahlen wollen, woraufhin er das Gespräch abgebrochen habe - habe er ihr die Unterlagen schicken wollen. Das Kuvert mit den Unterlagen sei jedoch nicht wieder aufzufinden gewesen: Ich habe schon mehrere Tage stundenlang gesucht, aber kann es nicht wieder auffinden. Die Arbeit, die die arische Abstammung verursacht, reibt einem [sic!] völlig auf."(16)
1935 fiel Anton Zumbrägel wegen eines Verstoßes gegen das Reichsflaggengesetz unangenehm auf. Am 9. November, dem Jahrestag des gescheiterten Hitlerputsches von 1923, hätte geflaggt werden müssen. Anton Zumbrägel redete sich bei seiner Vernehmung damit heraus, daß er selber erst am Tag vorher davon erfahren und der Kirchenprovisor die Flagge nicht rechtzeitig besorgt habe, weil er der Meinung gewesen sei, es müsse erst am 1. Januar geflaggt werden. Zwar ermittelte die Staatsanwaltschaft deshalb gegen ihn, zu einem Prozeß und einer Verurteilung kam es jedoch nicht.(17)
Am 8. Mai 1938 verlas Pfarrer Anton Zumbrägel eine Kanzelverkündigung, in der die Ereignisse um den Goldenstedter Schulstreik kommentiert wurden(18). Daraufhin wurde er am 28. 6. 1938 von der Gestapo aus dem Land Oldenburg und dem Regierungsbezirk Aurich ausgewiesen. Die Ausweisung blieb bis zum 22. 12. 1939 in Kraft. Lediglich vom 26. bis 28. September 1938 durfte Anton Zumbrägel nach Löningen zurückkehren, um einen Grundstückstausch zwischen der Gemeinde Löningen, die ein bestimmtes Grundstück zur Errichtung eines Spielplatzes benötigte, und der Kirchengemeinde Löningen zu regeln.(19)
4. Alter und Tod
1941 wurde Anton Zumbrägel von Bischof Clemens August Graf von Galen von seinem Pfarramt entbunden. Seinen Ruhestand ab dem 1. 7. 1941 verbrachte er in Vechta. Er verstarb am 13. 4. 1944 und wurde auf dem Lohner Friedhof beigesetzt.
(1) Dies und das folgende nach Benken, Alfred: Priester der Gemeinde Löningen. Löningen, 1979. S. 48-50.
(2) Benken, S. 49.
(3) Ebda.
(4) Der Geschäftsführer der Handwerkskammer zu Münster an Pfarrer Zumbrägel, 29. 1. 1938. Offizialatsarchiv Vechta (im folgenden OAV), Aktenbest. A-2-13 II.
(5) Offizial Vorwerk an Pfarrer Zumbrägel, 11. 3. 1938. OAV, Aktenbest. A-2-13 II.
(6) Bischof Clemens August Graf von Galen an Offizial Vorwerk, 16. 4. 1938. OAV, Aktenbest. A-2-13 II.
(7) Pfarrer Zumbrägel an das Offizialat Vechta, 20. 4. 1938. OAV, Aktenbest. A-2-13 II.
(8) Bischof Clemens August Graf von Galen an Pfarrer Zumbrägel, 31. 5. 1938. OAV, Aktenbest. A-2-13II.
(9) Die Trierer Wachswaren-Fabrik August Hamacher & Co. an das Bischöfl. Generalvikariat Münster/Westf., 1. 8. 1939. OAV, Aktenbest. A-2-13II.
(10) Fabrikant Wilhelm Vollmar (Bonn) an das Bischöfl. Ordinariat Münster/Westf., 8. 4. 1941. OAV, Aktenbest. A-2-13II.
(11) Fräulein Gertrud Rothe an den Reichsstatthalter Röver, 17. 7. 1934. OAV, Aktenbest. A-2-13II.
(12) Dieselbe an den Bischof von Osnabrück, zuständigkeitshalber weitergeleitet an das Bischöfliche Offizialat in Vechta, 9. 7. 1934. OAV, Aktenbest. A-2-13II.
(13) Ebda.
(14) Kösters vom Bischöflichen Offizialat in Vechta an Pfarrer Zumbrägel, 11. 7. 1934. OAV, Aktenbest. A-2-13II.
(15) Zumbrägel an das Bischöfliche Offizialat in Vechta, 18. 7. 1934. OAV, Aktenbest. A-2-13II.
(16) Ebda.
(17) Der Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht an den Reichminister der Justiz durch den Generalstaatsanwalt ín Oldenburg, 2. 1. 1936. OAV, Aktenbest. A-9-51 (Strafverfolgungen wegen politischer Vergehen oder Vorgänge).
(18) Näheres dazu in Biographie Krebeck.
(19) Der Bürgermeister der Gemeinde Löningen, Holthaus, an Anton Zumbrägel, 23. 9. 1938. OAV, Aktenbest. A-9-51.
www.geschichte-on-demand.de Homepage Deutsche Geschichte 1871 - 1945 © 2006 by Dr. Michael Rademacher M.A.
|